Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung

Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung

Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung

Mit dem vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung hat die Bundesregierung jüngst für Aufsehen gesorgt. Teil dieses Gesetzespakets sind auch Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, die weitreichende Konsequenzen für die Bundesbürger mit sich bringen. In aller Munde war und ist die sogenannte „Ausgangssperre“, die unter gewissen Umständen automatisch in Kraft tritt. Zwischen 22:00 Uhr und 05:00 Uhr ist es dann nicht mehr gestattet, sich außerhalb der Wohnung aufzuhalten, sofern nicht eine Ausnahme greift.


Viele Landkreise und kreisfreie Städte hatten zuvor ähnliche Regelungen per Allgemeinverfügung erlassen. Die neue Bundesregelung aus § 28b Abs. 1 Nr. 2 IfSG unterscheidet sich davon jedoch stark. Dieser Unterschied dürfte auch der Hauptkritikpunkt an der Regelung sein.


Während den Allgemeinverfügungen der Kommunen, die beispielsweise eine Ausgangssperre verhängten, eine Einzelfall- und Ermessensentscheidung vorausging, hat die Bundesregierung im neuen § 28b Abs. 1 Nr. 2 IfSG einen Automatismus konstruiert, der Beschränkungen automatisch eintreten lässt, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm vorliegen. Sobald ein Inzidenzwert von 100 an drei aufeinanderfolgenden Werktagen gemessen wurde, treten weitreichende Grundrechtsbeschränkungen in Kraft. Damit verlässt die Bundesregierung nicht nur das System des Gefahrenabwehrrechts, sie etabliert gewissermaßen sehenden Auges einen Abwägungsausfall. Durch diesen inzidenzwertgebundenen Automatismus ist es nicht mehr möglich, räumliche oder organisatorische Besonderheiten zu berücksichtigen.


Dabei wäre ein Abstellen auf die regionalen Gegebenheiten aus rechtlicher Sicht sinnvoll: Ein Inzidenzwert von über 100 birgt in einem Berliner Stadtteil größere und andere Gefahren als auf einem 3-Höfe-Dorf in Mecklenburg-Vorpommern. Zudem verwehrt man sich durch einen solchen Abwägungsausfall der Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Gerade diese Pandemie hat deutlich gezeigt, dass Wissenschaft immer auch Diskurs bedeutet und sich die Vorgehensweisen zur Eindämmung der Pandemie drastisch ändern können.


Weitere Konsequenzen bringt das neue Gesetz im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten. Gegen die Allgemeinverfügungen der Kommunen war der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Mittels Anfechtungsklage konnten natürliche und juristische Personen gegen die Verfügungen vorgehen. Vor den Oberverwaltungsgerichten bzw. den Verwaltungsgerichtshöfen konnte ein Normenkontrollverfahren angestrengt werden.


Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Einschränkungen aus dem neuen Infektionsschutzgesetz sind stark eingeschränkt. Sofern man sich gegen die neuerlichen Einschränkungen wehren möchte, bleibt nur die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.  


Das legistische Ziel des neuen Gesetzes ist verständlich und begrüßenswert. Berechtigte Kritik an den neuen Maßnahmen dürfte es jedoch ebenfalls geben.